Lieder aus dem Irgendwo

Eine Polin in Paris: Aldona
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Es kommt ja nicht mehr häufig vor, dass Musik neu wirkt. Doch Aldona Nowowiejska ist es mit ihrem Album "Sonnet" gelungen.

Eine Frau springt barfuß über den Strand und an ihrer rechten Hand baumelt ein Akkordeon. Der Strand ist leer, der Wind weht der Frau die Haare nach vorn, so dass man ihr Gesicht nicht erkennen kann. Schon das Cover macht neugierig, zumal man den Namen noch nie gehört hat: Aldona. Die CD beginnt mit einigen gehauchten Gesangszeilen in einer slawischen Sprache, dazu ein Cello im Dreivierteltakt. Als sich die akustische Gitarre dazu gesellt, wird ein Chanson daraus, aber nicht nur wegen der ungewohnten Sprache mag man nicht an Frankreich denken. Es ist eher, als lebe die Musik in einem Land dazwischen - nein, ganz gewiss nicht in Deutschland, eher ein Irgendwo.

Die Künstlerin heißt mit vollem Namen Aldona Nowowiejska, und außerhalb von Frankreich und Polen hatte man tatsächlich noch keine Gelegenheit, ihr zu begegnen. Sonnet, betitelt nach Shakespeares Sonnet 29, ist zwar bereits ihr viertes Album, doch das erste, das international vertrieben wird. Sie kommt aus Polen, ist gelernte Schauspielerin, seit 1996 Pariserin.

Es kommt ja nicht mehr häufig vor, dass Musik neu wirkt. Nun, auch Aldona Nowowiejska hat das Rad nicht neu erfunden. Die Einflüsse lassen sich klar zuordnen: Neben slawischer Volksmusik und französischem Chanson spielen orientalische Melodien, südamerikanische Linien und Rhythmen, Jazz- und Bluegrass-Elemente eine Rolle. Dazu kommen Momente, die nur als "Freistil" zu bezeichnen sind. Das Ganze ist in ein kammermusikalisches Klanggewand (unter anderem mit Kontrabass, Bassklarinette, Geige, Akkordeon, Mandoline) gekleidet. Doch Sonnet ist viel mehr die Summe der einzelnen Teile, die ja wahrscheinlich nur ein wirres Sammelsurium darstellen würde.

Tatsächlich ist die Musik ungeheuer stimmig, geprägt von einer ungemein persönlichen, stellenweise intimen Atmosphäre. Mal humorvoll und tänzerisch-verspielt (wie beim einzigen französisch gesungenen Stück "A Murmur"), mal gedankenverloren ("You Could Carry Me Away"), hypnotisch (im Titelstück) oder rastlos-angstvoll-suchend wie im Hohelied der Liebe, das wie alle anderen Lieder auf Polnisch gesungen wird - von den englischen Titeln darf man sich nicht irritieren lassen. Unter und über allem schmeichelt, knurrt, fleht, zuckert, heult und hetzt Aldonas Stimme, der man jedes Wort glaubt, ohne ein einziges zu verstehen. Sensationell gut; was für eine Entdeckung!

Aldona - Sonnet. Jaro 4305-2

Ralf Neite

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