Klares Bild

Eine neue Nietzsche-Biographie
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Wer noch nicht zuviel über Nietzsche gelesen hat, macht keinen Fehler, wenn er zu diesem Buch greift.

Die Faszination, die von Nietzsche ausgeht, scheint nicht nachzulassen. Kaum eine seiner Ideen oder Setzungen werden noch eins zu eins ernstgenommen, und dennoch scheinen seine oszillierenden Betrachtungen über den Menschen und die Moderne (die "decadènce" hieß sie bei ihm) vorgeschobeneussichtspunkte für eine Vermessung auch der Gegenwart zu bieten.

Sabine Appel gehört wohl zu jenen, denen es gelingt, eine ursprüngliche Begeisterung in ein klares, weder abrechnendes noch unkritisches Bild zu überführen. Schon das ist Verdienst. Natürlich sind für sie die heroischen Fabeln vom hammerschwingenden großen Einsamen passé. Sie scheut sich auch nicht, die Grenzen des heute noch Diskutablen zu bezeichnen; etwa hinsichtlich der Ausfälle Nietzsches gegen "das Weib", die sie kurzerhand als "dummes Zeug" kennzeichnet – das bleibe es, auch wenn es aus seiner Biographie, der Abhängigkeit von Mutter und Schwester, der verkorksten Sexualität hervorgequollen sei.

Nietzsche wurde bekanntlich nicht müde, den Heroismus, mit dem er seine Leiden zu ertragen beanspruchte, als Bedingung seines Genies zu verklären. Die Autorin versteht es wunderbar, die psychologisch-medizinischen Erklärungen der Seelen- und Geisteszustände des Denkers mit einem Plädoyer zu verbinden, sich seinen Werken auszusetzen. Wer noch nicht zuviel über Nietzsche gelesen hat, macht keinen Fehler, wenn er zu diesem Buch greift.

Sabine Appel: Friedrich Nietzsche. Wanderer und freier Geist. Eine Biographie. C.H. Beck, München 2011, 272 Seiten, Euro 19,95.

Helmut Kremers

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