In den Sand gesetzt

Ins Paradies mit The Saints
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Von der Musikpresse mit Vorschusslorbeeren überhäuft, ihre Musik ein Meilenstein des neuen Zeitgeists, blieben sie doch, was sie sein wollten: eine Rockband.

Der Sound ist ruppig, geradlinig, mit viel Druck: (I'm) Stranded, 1976 nahezu live im Studio aufgenommen, war das erste Album aus Australien, das international als Klassiker anerkannt wurde. Chris Baileys nölige Stimme kommt auf den Punkt, voller Beschwerde, ohne Klage. Ed Kueppers Gitarre treibt, und Kym Bradshaw (Bass) und Ivor Hays (Schlagzeug) halten den Laden zusammen: The Saints aus Brisbane - "ein repressives Kaff", wie sie selber sagen - schrieben mit ihrem Debut auf Anhieb Musikgeschichte.

Sie hatten jenen Sound, der 1977 in London als Punk zur Woge wurde. Nur eben früher. Von der Musikpresse mit Vorschusslorbeeren überhäuft, ihre Musik ein Meilenstein des neuen Zeitgeists, blieben sie doch, was sie sein wollten: eine Rockband. Die Revolution, oder was ihr dafür haltet, findet bitte schön ohne uns statt - so ihre Haltung. Auf der Bühne abliefern, das konnten und wollten sie, wie der Mitschnitt ihres Auftritts im "Hope and Anchor" in der Hauptstadt der Bewegung zeigt. Er ist exklusiv und als vierte CD in der Box All Times Through Paradise enthalten, die das Phänomen The Saints kanonisch abbildet: vom fulminanten Start mit (I'm) Stranded über Eternally Yours (1977, auf der Höhe ihrer Kraft) bis zum Zerfall unmittelbar vor Erscheinen des dritten Albums Prehistoric Sounds (1978).

Dazu sind 33 Bonustracks gestellt: Out-Takes, Single-B-Seiten, die EP One Two Three Four, Live-Aufnahmen aus der Paddington Town Hall in Sydney (1977) und die "International Robot Sessions". Das ergibt ein rundes Bild vom monolithischen Beginn über Suchbewegungen (stärkeres Betonen von Bluesrock, Jazzeinflüssen und Balladenelementen) bis zum Zerfall.

Doch eins ist klar: Reinreden ließen sie sich nie. So klingen sie auch, bis heute. The Saints haben Infusions-Charakter. Sie preschen los und lassen niemals locker. Einfache, aber starke Bilder ("Stranded on my own ..."), Ablehnung der drogenschwangeren bis selbstgefälligen Wischfiguren des zeitgleichen Prog-Rocks und Widerstand gegen jegliche Vereinnahmung, ob zeitgeistig oder nicht - ihre Musik gut finden mussten die Punks, aber lieben konnten sie The Saints nie.

Rock pur. Direkt, testosteronhaltig, Bild und Gefühl dicht aneinander. Intellektuell nicht zu erreichende Poesie, doch ohne kommen eben auch sie nicht aus. Das ist sozusagen ihre weiche Seite. Wie grandios diese Mischung ist, zeigt am Besten ihr Cover von Tina Turners explosiv-lyrischem Liebeslied "River Deep, Mountain High", das zum Glück gleich in drei Fassungen enthalten ist. Wer einmal in seinen amourösen Gefühlen unsicher ist (was vorkommen soll), erhält hier eine Messlatte.

The Saints - All Times Through Paradise. Box mit 4 CDs plus Booklet, EMI 2011.

Udo Feist

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