Ermutigend

Perspektivwechsel im Islam
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Das Buch von Benjamin Idriz ist ein mutiges und zugleich ermutigendes Buch zu einem Dialog, der vielerorts erst am Anfang steht.

Die Ziele für eine Integration des Islam in Deutschland, die sich Benjamin Idriz, der Imam aus der oberbayerischen Gemeinde Penzberg gesteckt hat, sind hoch. So hoch und doch so drängend und nachvollziehbar, dass man sich am Ende der Lektüre fragt, worin das Problem mit dem Islam eigentlich besteht, das wir in unserer Gesellschaft haben.

In einigen Passagen des Buches jedoch holt die Wirklichkeit die Utopie ein. Im europäischen Vergleich hat die Mehrheit der Deutschen Vorbehalte und geht auf Distanz zu "dem Islam", der häufig einer äußerst undifferenzierenden Kritik unterliegt. Doch gerade diesen Skeptikern kann die Lektüre von Idriz' Buch nur dringend empfohlen werden.

Hauptthese ist, dass der Islam grundsätzlich demokratiekompatibel ist und sich sehr wohl vollkommen integrieren, sich für Rechtsstaatlichkeit und Pluralismus stark machen kann und mehrheitlich will. Dazu müssen sich der faktisch plurale Islam und seine Vertreter bewegen und weiter verändern. Eine Dialogbrücke sieht Idriz im "Euro-Islam", der Potenzial für einen Perspektivwechsel innerhalb der muslimischen Gemeinschaft beinhaltet und der sich im Einklang mit den Menschenrechten und der politischen Ordnung in Europa befindet. Die Quintessenz des Islam besteht demnach in der Trias "Lies, bete und tue Gutes" - also in Bildung, Gottesdienst und einer diesseits bezogenen Ethik, wobei diese in einem reziproken Wechselverhältnis stehen. Alles Handeln muss von der Vernunft geleitet sein, die Gott den Menschen schließlich schon vor der Offenbarung des Koran geschenkt habe.

Konkret fordert Idriz deshalb eine Imame-Ausbildung in Deutschland, den Einsatz eigener Mittel, eine Armensteuer für Integration und Bildung sowie eine "Ethische Kommission" der Muslime. Benjamin Idriz sieht im Islam außerdem einen theologisch gut begründbaren Ansatz für die volle Gleichberechtigung der Geschlechter. Seine mutige Zusammenfassung der islamischen Lehre nach dem Koran, die moderne Interpretation der Scharia oder sein Leitfaden für Imame klingen wie Bekenntnisse zu einer gelingenden Verbindung zwischen Religion und Gesellschaft.

All dies wird in historischen Diskursen begründet, in denen etwa die Entstehung der islamischen Schulen kritisch beleuchtet und eine tragfähige, gemeinsame Basis der monotheistischen Religionen gesehen wird. Idriz stellt sich sowohl einem um sich selbst kreisenden konservativen Islam als auch den Islamkritikern entgegen, die sich selten um ein differenziertes oder gar ausgewogenes Bild des von ihnen betrachteten Gegenstandes bemühen. Er kann und will dabei nicht für "den Islam" sprechen, vermeidet regionale Zuschreibungen und richtet sich an Muslime wie Nichtmuslime. Das Buch von Idriz ist ein mutiges und zugleich ermutigendes Buch zu einem Dialog, der vielerorts erst am Anfang steht.

Benjamin Idriz: Grüss Gott, Herr Imam! Diederischs Verlag, München 2011, 223 Seiten, Euro 16,99.

Peter Noss

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