Junge Alte und die Kirche

Kirchliche Seniorenarbeit vor der Herausforderung
Foto: Hans-Jürgen Krackher
Foto: Hans-Jürgen Krackher
Wie in vielen Ländern Europas geht auch in Deutschland der Bevölkerungsrückgang einher mit einer Überalterung der Gesellschaft. Und diese macht auch vor den Kirchengemeinden nicht halt.

Gelassen, innerlich gefestigt und kreativ, die Generation 60-plus zeichnet sich durch eine hohe Lebenszufriedenheit aus. Doch sie versteht sich nicht als besonders glaubensstark und kirchennah, wie im "Zentrum Älterwerden" beim Dresdner Kirchentag deutlich wurde.

Der Blick in einen evangelischen Gemeindebrief für die kommenden zwei Monate zeigt: Acht Menschen wurden beerdigt, und im selben Zeitraum wurde nur ein Kind getauft. Wie in vielen Ländern Europas geht auch in Deutschland der Bevölkerungsrückgang einher mit einer Überalterung der Gesellschaft. Und diese macht auch vor den Kirchengemeinden nicht halt. Bis 2030 wird sich der Anteil der über 60-jährigen Gemeindemitglieder auf über 40 Prozent erhöhen, prognostiziert die EKD-Orientierungshilfe "Im Alter neu werden können".

Bislang gingen Untersuchungen davon aus, dass besonders bei Älteren das Interesse an Religion und Kirche vorhanden sei und mit zunehmendem Alter sogar wachse. Bedeutet der demographische Wandel also eine große Chance für die Kirche? Antworten darauf gibt die erste Repräsentativbefragung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD, die sich den religiösen und kirchlichen Orientierungen der Generation 60-plus in Deutschland widmet (siehe Seite 70). Was sucht, was findet die Generation 60-plus in der Kirche? fragte Petra-Angela Ahrens, die die Studie beim Kirchentag in Dresden im Zentrum "Älterwerden" präsentierte.

"Die Generation 60-plus ist eine starke Generation und das nicht nur zahlenmäßig, sondern auch in ihrem Lebensgefühl und in ihrer zuversichtlichen Orientierung auf das eigene Alter", erläuterte die Sozialwirtin. Was dabei bedeutsam erscheint: "Die Mehrheit versteht sich nicht als besonders glaubensstark und kirchennah. Und nur ein Teil, die Kerngemeinde in der Generation 60-plus, sucht und findet Angebote, die den eigenen Bedürfnissen, den eigenen Interessen entsprechen." Diese sprechen besonders die Altersgruppe der 70- bis 74-Jährigen an, die "im Vergleich zu allen anderen Altersgruppen am Häufigsten in das Gemeindeleben eingebunden sind".

Neue Konzepte für das Altern

Dass die Kirchengemeinden die jüngeren 60-plus-Senioren kaum erreicht, mag damit zusammenhängen, dass in den Gemeinden noch immer die diakonische Perspektive überwiegt. Das haben auch andere Kirchenmitgliedschaftsbefragungen an den Tag gebracht: "Die Kirche kümmert sich um Alte, Kranke und Behinderte." Nun zählt sich aber die Mehrheit der Befragten gar nicht zu den Alten, wie Petra-Angela Ahrens herausgefunden hat. Im Gegenteil: Im Durchschnitt fühlten sich die Befragten deutlich jünger, sogar um 5,5 Jahre. Sie sehen sich nicht Zielgruppe der Alten- und Seniorenarbeit.

Interessant ist auch, dass diese aktuelle Altersgruppe zwar ein hohes Potenzial für ehrenamtliches Engagement birgt. Und 37 Prozent der Evangelischen äußern ihre grundsätzliche Bereitschaft. Doch wenn es um konkrete Einsatzfelder geht, steigt die Zahl nicht über 17 Prozent. Ganz zu schweigen von einem diakonischen Engagement, das nur für 7 Prozent in Frage kommt. Hier zeigt die Befragung deutlich: Es ist mehr als fraglich, ob sich in Zukunft ehrenamtliches Engagement ausbauen lässt, auch wenn es immer wieder als Grundpfeiler künftiger gesellschaftlicher Entwicklungen benannt wird.

Welche Folgen hat das für die zukünftige Gemeindearbeit? Müssen nun die bewährten Formen der Alten- und Seniorenarbeit durch neue ergänzt werden? Vorschläge dazu machte im Zentrum Älterwerden Frank del Chin, der in der sächsischen Landeskirche die Arbeitshilfe "Blickpunkt kirchliche Seniorenarbeit - Herausforderung für die Zukunft" mit erarbeitet hat. Sein Beispiel: In einer sächsischen Gemeinde, in der 42 Prozent der Menschen über 65 Jahre alt sind, lädt die Kirche in Gasthäuser mit einer guten Busanbindung ein. Referenten aus dem Gericht oder der Polizei halten Vorträge, begonnen wird mit einer Andacht, der Segen bildet den Abschluss. "80 bis 100 Leute kommen regelmäßig", sagte der Oberkirchenrat. Und er berichtet von älteren Männern einer Großstadtgemeinde, die einen Männerstammtisch gegründet haben.

Die demographischen Szenarien machen deutlich: Für die jungen Alten müssen neue Angebote und Konzepte gefunden werden. Dann kann der Wandel als Herausforderung gestaltet werden.

Kathrin Jütte

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Kathrin Jütte

Kathrin Jütte ist Redakteurin der "zeitzeichen". Ihr besonderes Augenmerk gilt den sozial-diakonischen Themen und der Literatur.


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