Nocturnes

Das fünfte I-Am-Kloot-Album
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Ihre Musik changiert von Folk, Chanson und Film-Noir-Attitüde bis Cinemascope oder hinein in psychedelische Rockexplosion .

Es ist ein gängiges, doch falsches Bild, dass die Nächte, vor allem, wenn sie länger sind, die Stimmung besonders drücken. Krisenzentren haben die meisten Anfragen in Sommermonaten. Für Niedergeschlagene ist die Belastung offenbar größer, wenn überall sonst Unbeschwertheit herrscht. Da passt es, das im Sommer erschienene fünfte I-Am-Kloot-Album Sky at Night erst jetzt vorzustellen.

Meister der dunkelsten Stunde

Für sie gilt das Bonmot des Kirchenmannes Thomas Fuller (1608-1661) leider nur im Umkehrschluss: "Fame sometimes hath created something of nothing" - ein anderes seiner zur Redensart Gewordenen dafür um so direkter: "It is always darkest just before the Day dawneth" (von Bob Dylan, auf dessen Songs sie öfter anspielen). Sie sind Meister dieser dunkelsten Stunde, weshalb Gitarrist und Sänger John Bramwell live auch nahezu jeden Song mit "Next one is about drinking and disaster" einleitet.

Ihre Musik changiert von Folk, Chanson und Film-Noir-Attitüde bis Cinemascope oder hinein in psychedelische Rockexplosion - stets wunderbare Melodien, Bilder präzis wie das Leben, teils jazziges Schlagzeug, dazu passend pulsierender Bass und immer Bramwells charismatischer Gesang, wie anlässlich ihrer grandiosen Doppel-CD B hier in zz 4/10 zu lesen war. Die zehn Sky at Night-Songs setzen diese Gänsehaut-Größe nahtlos fort. Häufig mit Streichern, voll aufgezogen oder kammermusikalisch reduziert, wie es der Song braucht, in dem an Beatles-Melodik gemahnenden "Fingerprints" etwa, das weinend Geige und Cello schließen.

Im darauf folgenden "Lately" dann verschleppter Beat, der an Portisheads beste Theatralik gemahnt, dazu Bramwell (mit Chorgesang und Oberton-Tupfern) dramatisierend "and the crazies still come to me in the night / what do they want / what do they need?" und Gitarre mit pompös verhalltem Akzent.

Dann glockenhell, mit spärlichem Gitarrenpicking "I still do", eine Erinnerungskaskade von Besuchen am und Blicken aufs Meer als Kind. In tiefer Nacht wird hier Identität formuliert, wiedergefunden, hinterfragt, erlitten, genossen. Ein Lump, wer da nicht auf sich selber trifft: "Above there are no stars tonight / just northern sky reflected light upon your face" ("Sky At Night").

Ganz nah am Herzen

I am Kloot haben Stil, Größe, sind toll, echt, ernst, aber nicht verzweifelt und ganz nah am Herzen. Mit Thomas Fuller: "There is a great difference between painting a face and not washing it." Ihr Sky at Night beweist es erneut.

I Am Kloot - Sky at Night. Shepherd Moon / pias Recordings / Rough Trade 2010.

Udo Feist

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