Kriegsbilder

Militarismus und Friedenseinsatz
Bild
Damit, dass Bundeswehrsoldaten im Einsatz sind, haben viele Deutsche ihre Probleme. Historischen Schreckensbilder kommen hoch, und das Gespenst des deutschen Militarismus steigt aus der Kiste.

Ein Bildband über die Bundeswehr und den Afghanistankrieg mit vielen schönen und auch einer Anzahl schrecklicher Bilder. Geht das? Wofür ist das gut? Um sich bei heimischem Frost gemütlich das Reiseplaid über die Knie zu breiten und sich so recht behaglich vor Augen zu führen, wie "unsere Jungs sich weit hinten am Hindukusch wacker schlagen"?

Doch den wohlfeilen Spott beiseite - sicher hat ein solches Buch nur Wert als eine Ergänzung zu wenigstens einigermaßen soliden Informationen über Afghanistan, nur dann kann das gute alte Foto seine Kraft entfalten: Die erstarrte Bewegung kann die Fermate für die Reflexion schaffen, der das bewegte Bild immer schon enteilt.

Die Kraft des Bildes

Der einleitende Text stammt von dem SZ-Redakteur Stefan Kornelius; er zeichnet die Geschichte der westlichen Auseinandersetzung mit Afghanistan und die des gegenwärtigen Konflikts in präzisen, aber minimalistischen Strichen und endet in unbestimmtem Pessimismus, was dessen Zukunft angeht. Letzterer wird von den Bildern noch verstärkt, die am Ende des Buches zu sehen sind: sie zeigen die Särge toter Soldaten.

Damit, dass Bundeswehrsoldaten überhaupt irgendwo mit der Waffe in der Hand im Einsatz sind, haben viele Deutsche ihre Probleme. Gerade bei den Älteren kommen alle historischen Schreckensbilder hoch, und natürlich steigt das Gespenst des deutschen Militarismus aus der Kiste.

Was es mit dem auf sich hatte, fasst Wolfram Wette in seinem Buch zusammen. Dabei ist es keineswegs sicher, ob sich der Begriff "Militarismus" als eine historische Kategorie eignet. Entstanden ist er in den 1860er-Jahren als politischer Kampfbegriff. Doch nicht diese Herkunft macht ihn unscharf, sondern die Tatsache, dass er auf alle möglichen Phänomene und historischen Situationen bezogen wird. Wettes Werk ist nun zwar (wie auf dem Umschlag durch ein Zitat behauptet) kein Standardwerk, es liefert aber einen Überblick, sozusagen die Folie, auf der differenzierende Einträge erst noch gemacht werden müssen.

Wette, der lange am Militärgeschichtlichen Forschungsamt gearbeitet hat und zuletzt Professor für Neueste Geschichte in Freiburg war, beschränkt sich auf den preußisch-deutschen Militarismus seit dem Soldatenkönig. Demnach wurde damals eine unheilvolle Tradition begründet, die am Ende den Nationalsozialismus ermöglichte und das Militär zu seinem willigen Werkzeug machte. Für Wette scheint dieser Militarismus die Leitkategorie der letzten dreihundert Jahre deutscher Geschichte zu sein, insbesondere aber der Zeit zwischen 1871 und 1945, hierin folgt der Autor den Nürnberger Richtern.

Veränderungen bleiben unterbelichtet

Neuere Versuche, dies zu differenzieren, scheint er für schädlichen Revisionismus zu halten, insbesondere, wenn dabei ein etwas freundlicheres Preußenbild entsteht, wie etwa in dem Preußenbuch des australischen Historikers Christopher Clark. Wette ist als Historiker ein bekennender Linker auf der Traditions­linie Fritz Fischers, dessen auf den Ersten Weltkrieg bezogene Kriegschuldthese in den letzten Jahrzehnten insbesondere von angelsächsischen Historikern ziemlich aufgeweicht wurde. Für Deutsch­land beklagt Wette, dass hier der Begriff des Militarismus schon Mitte der Fünfzigerjahre weitgehend ausgedient habe und dann der Totalitarismusforschung gewichen sei - für ihn, so hat man den Eindruck, nicht die tauglichere Perspektive, sondern der Versuch, deutsche Schuld zu relativieren.

Die Veränderungen, die der Militarismus in Deutschland durchgemacht hat, bleiben bei Wette ein wenig unterbelichtet. Was etwa bedeutete der napoleonische Imperialismus (und nicht nur die Befreiungskriege) für die Entstehung des deutschen Nationalismus, der ja nicht eine Sache der preußischen Militärclique war, sondern erst von Bismarck dazu gemacht werden musste? Spätestens wenn es um den Nationalismus des 19. Jahrhunderts geht, erscheinen Wettes Vergleiche mit anderen Ländern als allzu spärlich.

Und noch eins hätte bedacht werden können: Nämlich was es bedeutet, dass sich Nationalismus und Militarismus mit dem Aufbruch in eine technische Moderne offensichtlich blendend vertrugen. Die Militarimus-Spur endete zwar letzten Endes im Nationalsozialismus, doch für monokausale Begründungen eignet sie sich nicht.

Deutsche ­Soldaten im Krieg. Die Bundeswehr in Afghanistan. Eine Bild­dokumentation. Fackelträger Verlag, Köln 2010, 144 Seiten, Euro 29,95.

Wolfram Wette: Militarismus in Deutsch­land. Geschichte einer kriegerischen Kultur. Fischer Taschenbuch­verlag, Frankfurt am Main 2008, 320 Seiten, Euro 12,95.

Helmut Kremers

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