Gott ist nicht gut
Dieses Hörbuch ist eine Zumutung - und zwar im besten Sinne. Zunächst in der Form: Keine Musik, keine akustischen Effekte, nur der von Elke Domhardt angemessen nüchtern und sachlich vorgetragene Text des bereits 2010 erschienenen Buches von Norbert Scholl mit dem Titel Religiös ohne Gott. Für den emeritierten Professor für Katholische Theologie ist das nicht nur eine Zustandsbeschreibung unserer Gesellschaft, in der die Kirchen immer leerer werden und sich gleichzeitig 50 Millionen Deutsche als religiös bezeichnen. Diese Diskrepanz gründe darin, dass der Gott, über den in Kirchen gepredigt werde, nur noch wenig zu tun habe mit dem Alltag der Menschen. Und zudem werde dort eine Sprache verwendet, die an Sklerose leide.
Die Heilung kann für Scholl nur durch die Lösung von herkömmlichen Gottesbegriffen erfolgen. In dieser "negativen Theologie" muss dann sogar ein Satz wie "Gott ist gut" als unzulässig gelten, denn Gott sei nicht (irgendetwas), er ereigne sich vielmehr, er sei nicht Substanz, sondern Beziehung und insofern sei alles Reden über Gott relativ und jede Suche nach Gott nur ein Tasten im Unbeschreiblichen.
Doch gerade dabei seien religiöse Erfahrungen möglich. Zunächst durch das Erleben der Stille, für die es Räume zu schaffen gilt - zum Beispiel in einer Kirche. Und durch das Schulen der intuitiven Erkenntnis des Eigentlichen. Auf die Mystik eines Meister Eckarts oder den Gedankenkonstrukten Baruch de Spinozas weist der Autor dabei ebenso hin wie auf modernere Theologien aus Süd- und Nordamerika. Das alles ist keine leichte Kost - aber nahrhaft für die Seele.
Norbert Scholl: Religiös ohne Gott. Warum wir heute anders glauben. auditorium maximum 2011.
Stephan Kosch