Ost-West-Liebe

Wie zwei evangelische Pfarrer im Süden Berlins zusammenleben
Alexander Brodt-Zabka (links) und Jörg Zabka. Foto: Rolf Zöllner
Alexander Brodt-Zabka (links) und Jörg Zabka. Foto: Rolf Zöllner
In manchen deutschen Landeskirchen wird noch heftig darüber diskutiert, ob homosexuelle Geistliche mit ihren Partnerinnen oder Partnern zusammenleben dürfen. In der berlin-brandenburgischen Landeskirche ist das ganz normal, hat die Frankfurter Journalistin Barbara Schneider festgestellt.

Der Duft von frisch gebrühtem Kaffee steigt in die Nase. Im Wohnzimmer sitzen Jörg Zabka und Alexander Brodt-Zabka vor ihren Tassen. Zwei humorvolle Männer, die wissen, was sie aneinander haben. "Ich weiß, woran ich bei dir bin", ist ein Satz, den beide unabhängig von einander über den anderen sagen. Beide haben evangelische Theologie studiert und sind heute als Pfarrer tätig. Und seit gut sechs Jahren sind sie ein Paar.

Kennengelernt haben sich Jörg Zabka und Alexander Brodt über das Internet. In einem Forum für schwule Christen und Theologen nehmen sie Kontakt miteinander auf. "Nach zehn Minuten war alles klar", erinnert sich Zabka. Der erste Anruf, bald telefonieren sie täglich und verabreden schließlich das erste Treffen. Brodt lebt zu diesem Zeitpunkt noch in Frankfurt am Main, wo er Gemeindepfarrer ist, und Zabka hat seine erste Stelle in Berlin angetreten.

Biographische Schnittstellen

Jörg Zabka ist in Ost-Berlin geboren und aufgewachsen. Alexander Brodt stammt aus der Nähe von Hanau und geht im hessischen Friedberg zur Schule. So haben sich eine Ost- und eine Westbiographie mit vielen Schnittstellen verbunden: das gemeinsame Geburtsjahr 1968, Ausbildung in der Klinischen Seelsorge und die Arbeit in der Aids- beziehungsweise Palliativseelsorge nach dem Studium. Und doch ist vieles auch ganz unterschiedlich verlaufen.

Zabka begeistert sich schon als kleiner Junge für Mathematik und ist Mitglied der Mathematischen Schülergesellschaft. In der DDR-Zeit engagiert er sich in der Gruppe "Schwule in der Kirche", und während der achtzehn Monate in der Armee entscheidet er sich gegen die Mathematik und für die Theologie. Aus Begeisterung, über den Glauben zu reden, sagt er, und: "Seelsorge liegt mir." Sein Mann, der auf dem Dorf aufwuchs und sich für die Musik der Zwanziger- und Dreißigerjahre begeistert, erzählt, er habe schon seit der Konfirmation ein Faible für die Kirche gehabt. "Die Faszination für das Geheimnis" war es, die ihn zur Theologie und ins Pfarramt führten.

Im Visier der Stasi

Beiden wachsen in einer Zeit auf, in der die Strafgesetzbücher beider deutscher Staaten Homosexualität noch unter Strafe stellen. In der Bundesrepublik wird der Schwulenparagraph 175 zwar Ende der Sechziger- und Anfang der Siebzigerjahre revidiert, das Schutzalter von 21 auf 18 Jahre reduziert, aber erst 1994 endgültig gestrichen. Die DDR hebt schon 1988 ihre Sondergesetze gegen Homosexuelle ersatzlos auf. Alexander Brodt erlebt die Anfänge des Christopher-Street-Day in der Bundesrepublik und erfährt, wie die junge Schwulenbewegung immer wieder skandalisiert wird. Sein Mann erfährt erst nach der Wende, dass mehrere "Inoffizielle Mitarbeiter" der Stasi auf ihn angesetzt worden waren.

Trotz oder vielleicht auch wegen dieser Erfahrungen ist für beide klar: "Wir wollen uns nicht verstecken." In seinem Bewerberbogen für die hessen-nassauische Landeskirche gibt Alexander Brodt selbstverständlich seine Lebensform an. Und später machen die beiden mit ihrer Hochzeit auch nach außen deutlich, dass sie zusammengehören: "Ein gemeinsamer Name war uns wichtig", sagt Alexander, der seit der standesamtlichen Trauung den Doppelnamen Brodt-Zabka trägt: "Der Name ist ein öffentliches Zeichen unserer Liebe."

Ihre Hochzeit feiern sie 2006 mit einem großen Fest. Kurz nachdem ihre Partnerschaft auf einem Berliner Standesamt eintragen worden ist, geht es nach Frankfurt am Main. In der Alten Nikolaikirche am Römer stellen Alexander und Jörg ihr gemeinsames Leben unter den Segen Gottes. Die Begeisterung ist noch zu spüren, wenn Alexander Brodt-Zabka das Fotoalbum aus dem Schrank zieht: Ein strahlendes Paar vor dem Frankfurter Römer, eine lange, festlich geschmückte Tafel. Es ist ein rauschendes Fest, das die beiden anschließend mit über hundert Gästen auf einem Gut der Herrnhuter Brüdergemeine in Herrnhaag bei Büdingen feiern. Es wird getanzt, gegessen, getrunken und gelacht, ausgelassen, zwanglos. Eine Woche lang haben sie ihre Hochzeit vorbereitet. Und am Baugerüst an dem alten Herrenhaus haben sie die Regenbogenfahne gehisst.

Ins Pfarrhaus? Niemals!

Im Alltag sind die beiden inzwischen ein eingespieltes Team: "Jörg wäscht und bäckt Brot", bringt es Alexander Brodt-Zabka auf den Punkt. Er selbst legt dann die Wäsche zusammen und bäckt Kuchen, wenn sich Gäste angemeldet haben. Den Haushalt erledigen sie gemeinsam - staubsaugen, aufräumen, einkaufen. "Ich bin eher fürs Gründliche, Jörg für das Grobe", erzählt Brodt-Zabka und lässt den Blick durchs Wohnzimmer streifen. Die beiden leben in einem Mietshaus auf zwei Etagen: Im Erdgeschoss sind Arbeits- und Gästezimmer und die Waschküche untergebracht. Im Stockwerk darüber liegen Wohn- und Schlafzimmer, Küche und Bad. In dem Flur, der zum Wohnzimmer führt, stapeln sich die Bücher im Regal. Kater Erwin streicht so lange um die Stuhlbeine, bis er nach nebenan ins Schlafzimmer gelassen wird.

Beiden haben bis heute keine kirchliche Dienstwohnung bezogen. Als Jörg Zabka nach Vikariat und Assessment-Center seine erste Stelle im Berliner Stadtteil Lichterfelde antritt, heißt es noch: Mit dem gleichgeschlechtlichen Partner im Pfarrhaus? Niemals! Als Kompromiss sucht sich der junge Geistliche eine Wohnung in einem Haus gegenüber der Kirche. Und hier bleibt er auch nach der Hochzeit mit Alexander Brodt-Zabka wohnen. Kurzerhand mieten sie die Wohnung darüber hinzu. So ist es bis heute. Auch wenn sich seither in der berlin-brandenburgischen Landeskirche einiges geändert hat. Inzwischen leben dort - wie in der rheinischen, nordelbischen und hessen-nassauischen Landeskirche - homosexuelle Paare selbstverständlich in Pfarrhäusern zusammen. Und seit vergangenem Jahr ist das auch in der bayerischen Landeskirche möglich.

Der Weg ins Pfarramt war für Jörg Zabka mitunter steinig. Denn nicht alle Gemeindeglieder akzeptierten einen schwulen Geistlichen. Als sich Zabka in der Gemeinde vorstellt, tritt ein Gemeindekirchenrat aus Protest zurück. "Ich weiß nicht, ob ich alles mitbekommen habe, was hinter den Kulissen geredet wurde", meint Zabka rückblickend. Aber "ansonsten gab es nur positive Rückmeldungen", die große Mehrheit stehe hinter ihm.

Leben als Befreite

Während Alexander Brodt-Zabka als persönlicher Referent der Präses der EKD-Synode Katrin Göring-Eckardt und des Synodenpräsidiums viel unterwegs ist, geht sein Mann der Arbeit in der Kirchengemeinde Lichterfelde nach. Er bereitet Gottesdienste vor, gestaltet Seniorennachmittage oder hält Konfirmandenunterricht. Die gemeinsame Zeit, die ihnen bleibt, nutzen die beiden für Radtouren, sie kochen und laden Freunde ein. Und im vergangenen Dezember haben sie in einem Gottesdienst ihr zehnjähriges Ordinationsjubiläum gefeiert.

"Ich glaube, dass es Gott gefallen hat, uns so zu machen und zusammenzuführen", sagt Alexander Brodt-Zabka. Umso mehr ärgert ihn ein Offener Brief, in dem sich im Januar dieses Jahres acht evangelische Altbischöfe gegen die Anerkennung homosexueller Partnerschaften im Pfarrhaus wandten. Die Argumentation, die vor allem seitens evangelikaler Kreise gegen die Homosexualität ins Feld geführt wird, hält er für unbiblisch. Überhaupt hält Brodt-Zabka eine biblizistische Auslegung für schwierig. Denn patriarchale Strukturen und Vielweiberei, von der an manchen Stellen des Alten Testaments ganz selbstverständlich die Rede ist, würde heute ja auch niemand mehr vertreten, meint der Pfarrer. Doch wer biblizistisch argumentiere und Homosexualität als Sünde ablehne, rede über die Köpfe von Menschen hinweg. "Als Christen leben wir als Befreite", sagt er. "Es ist schlicht vollkommen egal, ob wir hetero, lesbisch, schwul, transgender oder was auch immer sind."

Immer wieder begleitet Alexander Brodt-Zabka seinen Mann auch in den Gottesdienst. Wie etwa in den Familiengottesdienst, den Jörg Zabka mit einem Team aus der Gemeinde gestaltet hat. Ein Kinderchor singt. Und Pfarrer Zabka spricht über die Schöpfung, davon, wie Gott die Erde, Licht und Dunkel, Tiere und schließlich den Menschen geschaffen hat, wie Gottes Schöpfung wohldurchdacht und klug gemacht ist. Nach dem Gottesdienst steht der Geistliche an der Türe, schüttelt den Gottesdienstbesuchern die Hand und wünscht einen gesegneten Sonntag. Derweil unterhält sich sein Mann beim Kirchenkaffee mit ein paar Seniorinnen über das Konzert, das er am Vortag besucht hat. Ein ganz gewöhnlicher Sonntagvormittag in der Martin-Luther-Gemeinde in Berlin-Lichterfelde.

Barbara Schneider

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