Neuentdeckung

Altmeister Pierre Boulez spielt Werke von Szymanowski ein
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Vielleicht ist das Schönste an dieser musikalisch packenden CD, dass sie den Maestro nicht nur dirigieren, sondern auch sprechen lässt. In drei launigen Kurzinterviews auf Deutsch, Englisch und Französisch erklärt Pierre Boulez, wie er darauf gekommen ist, zum ersten Mal Stücke von Karol Szymanowski einzuspielen.

Vielleicht ist das Schönste an dieser musikalisch packenden CD, dass sie den Maestro nicht nur dirigieren, sondern auch sprechen lässt. In drei launigen Kurzinterviews auf Deutsch, Englisch und Französisch erklärt Pierre Boulez, wie er darauf gekommen ist, zum ersten Mal Stücke von Karol Szymanowski einzuspielen. Es habe, sagt er munter, schlicht auch damit zu tun, dass die von ihm geliebte Moderne des frühen 20. Jahrhunderts als Repertoire so übersichtlich sei.

Emotionsstarker Formanalytiker

So unprätentiös kommt sie also da­her, die Zuwendung zu dem polnischen Bartók-Zeitgenossen, an den sich bis heute nur wenige Musiker und Konzertbesucher heranwagen. Zu Unrecht, findet der Altstar unter den Avantgarde-Komponisten und Moderne-Dirigenten, der im März seinen 85. Geburtstag feiern konnte. Und so präsentiert Boulez auf seiner Einspielung für die Deutschen Grammophon nun zwei spröde Glanzstücke: Beginnend mit dem ersten Violinkonzert, das Szymanowski 1916 komponierte, und bei dem Christian Tetzlaff seine Geige zu lyrischer Höchstform anstachelt. Mit zart ausgekostetem Gesang erhebt sich hier der Klang des Soloinstruments über ein machtvolles Gewebe, das sich dicht ballt, aber immer wieder erstaunliche Transparenz gewinnt. Boulez ist und bleibt ein emotionsstarker Formanalytiker.

Die dritte Symphonie Szymanowskis ist eine Vertonung des "Liedes von der Nacht" des altpersischen Dichters Rumi (1207-1273), für die auch Tenor Steve Davislim und der Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde Wien stimmliche Ausdruckskraft beisteuern. Eine Entdeckung ist dies gewiss - wenn auch eine schwerblütige. Hier herrschen mystische Ekstase und dunkles Grollen. Erotischer Alpdruck und sinnliche Sehnsucht greifen in einander - und erschließen sich nur sukzessive.

Ausufernd schillernd

"Man muss das öfter hören", sagt Boulez in einem seiner Interviews - und es ist beruhigend, dass auch er erst hinfinden musste zu den ausufernd schillernden, dunkel verstörenden Welten des verkannten Po­len. "Ich will nicht behaupten, ich hätte den besten Geschmack der Welt", sagt der musikalische Querdenker, "aber in meiner Bibliothek hat Szymanowski einen höheren Stellenwert als etwa Prokofjew. Punkt." Und schalkhaft fügt er hinzu: "Das heißt aber nicht, dass sich jetzt das ganze Universum nach mir richten muss."

Karol ­Szymanowski - Violinkonzert No. 1, Symphonie No. 3. Deutsche Grammophon, 2 CDs, 9 477 8771.

André Mumot

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