Erheitert durch den Vatikan
Zu den Markenzeichen der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, der acht Mitgliedskirchen der EKD angehören, gehört der "Catholica-Beauftragte", ein Amt, das seit fünf Jahren der Braunschweiger Bischof Friedrich Weber bekleidet. Er soll die Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche pflegen und beobachten, was in ihr vorgeht. Und das bedeutet eine Fahrt zwischen Scylla und Charybdis. Denn wenn der Catholica-Beauftragte der VELKD-Synode jedes Jahr seinen Bericht erstattet, muss er bewerten, was in den vergangenen zwölf Monaten in der Ökumene passiert ist, ohne die römisch-katholischen Gesprächspartner zu vergraulen.
Vor einem Jahr ist der Vatikan denjenigen Anglikanern weit entgegengekommen, die Frauen und Schwule im Pfarr- und Bischofsamt ablehnen. Gegenüber anderen Konvertiten werden sie bevorzugt. Sie können einem römisch-katholischen "Ordinariat" beitreten, das nicht dem jeweiligen Ortsbischof unterstellt ist, sondern direkt der römischen Glaubenskongregation. In ihm dürfen anglikanische Gottesdiensttraditionen gepflegt werden.
In Hannover erinnert Bischof Weber daran, dass an der Ausarbeitung dieses Modells der päpstliche Einheitsrat, die für die Ökumene zuständige Abteilung des Vatikan, nicht beteiligt war. Und erst in letzter Minute erfuhren die unmittelbar Betroffenen davon, die römisch-katholischen Bischöfe Englands und das Oberhaupt der anglikanischen Kirche, Erzbischof Rowan Williams.
Beigeschmack
Weber unterstellt Rom keine Proselytenmacherei, doch bleibe "der Beigeschmack, dass das vorgesehene Verfahren als Abwerbestrategie verstanden werden kann, die über die ökumenisch unproblematische Aufnahme von Konvertiten hinausgeht". Als der Catholica-Beauftragte die Begründung der vatikanischen Glaubenskongregation zitiert, wonach "in jüngster Zeit der Heilige Geist Gruppen von Anglikanern gedrängt" habe, die Aufnahme "in die volle katholische Gemeinschaft" zu erbitten, lachen die Synodalen. Es ist ja auch erstaunlich, wie genau der Vatikan über den Heiligen Geist Bescheid weiß.
In der Bewertung der fünfjährigen Amtszeit Papst Benedikts XVI. macht Weber aus der Not eine Tugend. Auch wenn Lutheraner "manche seiner theologischen Überzeugungen und daraus resultierenden ökumenischen Konsequenzen" nicht teilen würden, sei Benedikt wenigstens "berechenbar und präzise". Und Weber hält "es nicht für ausgeschlossen, dass es in der Ökumene noch zu Weiterentwicklungen kommt". Das klingt nicht optimistisch.
Zu wenig "Einübung" ins Amt
Anders als die römisch-katholische Kirche kennt die evangelische nur ein geistliches Amt, das Pfarramt. Auch lutherische Bischöfe sind nichts anderes als Pfarrer. "Pfarrbild und Pfarrerbildung" war das Schwerpunktthema der diesjährigen VELKD-Synode. Michael Herbst, der an der Universität Greifswald praktische Theologie lehrt, beklagte in seinem Vortrag, Theologiestudierende übten "zu wenig miteinander" ein, wie sie "als akademisch gebildete Theologen beten, die Bibel hörend lesen, geistlich unterscheiden lernen, beichten" und sich "gegenseitig beraten".
Für die Pfarrstellen regte Herbst eine größere Vielfalt an. Im Osten, wo ein Geistlicher oft für viele Gemeinden zuständig ist, könne es "apostolische Besucher" geben, "die Gemeinden unterstützen und anregen". Und neben dem klassischen Gemeindepfarrer sollten "Missionspfarrer" ausgebildet werden, die "das Evangelium in kulturelle Segmente tragen, in denen es nicht mehr oder noch nicht bekannt ist".
Doch zunächst musste sich die VELKD-Synode mit etwas ganz Profanem befassen, dem Entwurf eines EKD-weiten Pfarrerdienstrechtes, das den Wechsel von Geistlichen innerhalb Deutschlands erleichtern soll. Paragraph 39 bestimmt, dass Pfarrerinnen und Pfarrer "in ihrer Lebensführung im familiären Zusammenleben und in ihrer Ehe an die Verpflichtungen aus der Ordination gebunden" sind. Ob zum "familiären Zusammenleben" auch homosexuelle Partnerschaften zählen und ob diese im Pfarrhaus erlaubt sind, bleibt der Auslegung durch die einzelnen Landeskirchen überlassen. Die VELKD-Synode beschloss, dass das vorgesehene Pfarrerdienstgesetz der EKD "grundsätzlich zustimmungsfähig" sei und ermöglichte so seine Verabschiedung durch die EKD-Synode. Jetzt müssen noch die Synoden aller 22 Landeskirchen zustimmen.
Jürgen Wandel